Leider hat es auch mit dem zweiten Antrag der FIL auf Aufnahme des Naturbahnsports in das Olympische Programm wieder nicht geklappt. Worin sehen Sie die Gründe?
Josef Fendt:
Vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wurden uns in einem Schreiben vom 3. November zwei Hauptgründe genannt. Zum einen werden die vom IOC ermittelten hohen Kosten für die notwendige Infrastruktur angeführt. Zum anderen hat das IOC bei seiner Session in Mexico City 2002 grundsätzlich festgelegt, dass ähnliche Sportarten vermieden werden sollen. Offensichtlich hat das IOC hier zu viele Ähnlichkeiten zum Rennrodeln auf Kunstbahn gesehen, obwohl wir die Unterschiede immer ganz deutlich erklärt haben.
Chris Karl:
Wie ist Ihre persönliche Einschätzung zu den Hintergründen für diese Entscheidung?
Josef Fendt:
Bei meinem letzten Besuch beim IOC in Lausanne im Oktober wurden mir mündlich einige zusätzliche Gründe mitgeteilt. Das war einmal die Tatsache, dass Naturbahn hauptsächlich nur in Europa praktiziert wird. Dies wurde mit Einsichtnahme in Ergebnislisten untermauert. Dann gab es die erneute ablehnende Stellungnahme der IOC-Programmkommission. Darüber hinaus wurde die Fernsehpräsenz des Naturbahn-Sports in den vergangenen Jahren als nicht hinreichend eingestuft. Die zudem geäußerten witterungsbedingten Bedenken konnte ich im persönlichen Gespräch wohl ausräumen.
Chris Karl:
Es wurde in letzter Zeit aber auch Kritik laut, dass sich der Internationale Rennrodelverband FIL nicht mit voller Kraft für diesen Antrag eingesetzt habe.
Josef Fendt:
Diese Kritik ist mir auch zu Ohren gekommen und ich weiß auch, aus welchem Raum sie kommt. Dort machen einige Sportfunktionäre mit teils unfairen Argumenten ihrer Enttäuschung Luft. Obwohl ich diese Enttäuschung verstehe und natürlich auch teile, muss ich diese Kritik absolut zurückweisen. Wir haben nichts unversucht gelassen, damit unser Antrag Erfolg hat. Die Entscheidung treffen aber nicht wir, sondern das IOC. Und einige Argumente des IOC sind, objektiv betrachtet, leider nicht ganz von der Hand zu weisen.
Chris Karl:
Welche Aktivitäten hat es denn im Vorfeld der Entscheidung Ende Oktober genau gegeben?
Josef Fendt:
Zunächst einmal wurde der offizielle Antrag der FIL im Januar 2005 fristgerecht beim IOC eingereicht. Dafür haben wir ein Dossier über den Naturbahnsport professionell erstellen lassen und zusammen mit umfangreichen Unterlagen und einem Video mit Naturbahn-Highlights an die verantwortlichen Personen im IOC geschickt. In diesen Unterlagen wurde auch der Unterschied zwischen den beiden Sportarten Kunstbahn und Naturbahn herausgearbeitet. Noch im Januar bin ich persönlich, gemeinsam mit Vizepräsident Alfred Jud nach Rom geflogen, um beim Vorsitzenden der Programmkommission des IOC, Franco Carraro, vorzusprechen. Begleitet wurde ich dabei noch von dem Südtiroler Dr. Manfred von Call, der stellvertretender Vorsitzender des FIL-Schiedsgerichts ist und Mauro Della Vedova als Vertreter des Italienischen Verbandes FISI. Wir konnten unserem Antrag dort an oberster Stelle noch einmal Nachdruck verleihen.
Darüber hinaus habe ich mich auch erfolgreich um die Zustimmung der AIOWF - das ist die Vereinigung der internationalen Olympischen Wintersportverbände – zu unserem Antrag bemüht und unser Anliegen in mündlichen Gesprächen bei Exekutivmitgliedern des IOC deponiert. Wir waren auch in ständigem Kontakt mit dem Organisationskomitee für die Olympischen Spiele 2010 in Vancouver, hatten Sportdirektor Tim Gayda zur WM 2005 nach Latsch eingeladen. Er konnte sich vor Ort selbst ein Bild vom Naturbahn-Rennrodelsport machen und wir hatten den Eindruck, dass sein Urteil über die Sportart sehr positiv ausfiel.
Im Oktober, kurz vor der Entscheidung des IOC, bin ich nochmals nach Lausanne zum Internationalen Olympischen Komitee geflogen und habe unseren Antrag noch einmal vor obersten IOC-Vertretern präsentiert.
Chris Karl:
War es aber nicht so, dass trotz der guten Kontakte zu Vancouver die 100%ige Unterstützung ausblieb? Vancouver hätte ja die Kosten für die Bahn samt Infrastruktur übernehmen und dies dem IOC bestätigen müssen. Die Situation wird immer dieselbe sein, dass bei der Vergabe von Winterspielen sieben Jahre zuvor, Naturbahn-Rodeln nicht im Programm ist. Von welchem Veranstalter kann man also eine Unterstützung in Form der vollen Kostenübernahme erwarten? Oder was könnte man tun, um diese Situation zu entschärfen?
Josef Fendt:
Ich denke schon, dass wir aus Vancouver Unterstützung erhielten. Diese wurde mir auch im direkten persönlichen Gespräch zugesichert. Aber die Kostenfrage ist natürlich ein Problem. Oftmals entscheidet letztendlich leider auch das Geld. Wobei sich die Kosten für eine Naturrennrodelbahn im Vergleich zu verschiedenen anderen Sportarten noch in einem gewissen Rahmen bewegen. Natürlich sind diese Kosten da und stellen für Ausrichter von Olympischen Winterspielen eine zusätzliche Ausgabe dar. Deshalb haben wir uns bemüht, diese Kosten möglichst gering zu halten, beispielsweise durch die Schaffung eines einzigen Zielraums zur gemeinschaftlichen Nutzung durch Naturbahn und eine anderen Sportart.
Chris Karl:
Kritiker haben auch behauptet, Sie würden persönlich gar nicht hundertprozentig hinter diesem Antrag stehen. Wie ist Ihre Meinung zu solchen Vorwürfen?
Josef Fendt:
Diese Vorwürfe sind ebenso bösartig wie aus der Luft gegriffen. Grundlegende und wichtigste Verantwortung der FIL muss es doch sein, ähnlich wie bei einem Privatunternehmen, die eigene Position zu erhalten und zu verbessern. Nur so können wir unseren Sport in einem immer schwierigeren wirtschaftlichen Umfeld erfolgreich praktizieren. Und gerade eine weitere Disziplin bei Olympischen Spielen und die Vergabe weiterer Olympischer Medaillen würde die Position der FIL innerhalb der Olympischen Wintersportverbände nachhaltig stärken. Es kann mir doch kein vernünftig denkender Mensch unterstellen, dass ich als Präsident der FIL den Antrag auf Aufnahme des Naturbahnsports in das Olympische Programm nicht hundertprozentig unterstützt oder sogar gegen ihn gearbeitet hätte.
Chris Karl:
Wie geht es nun weiter mit dem Naturbahn-Sport? Wird die FIL einen weiteren Antrag für 2014 stellen?
Josef Fendt:
Wir haben die genaue Analyse der Ablehnungsgründe noch nicht abgeschlossen. Ausschlaggebend könnte es dabei sein, wohin die Spiele 2014 vergeben werden. Denn unsere Chancen würden in Salzburg vermutlich um einiges höher als beispielsweise in Korea sein. In jedem Fall werden wir unabhängig von der Aufnahme des Naturbahnsports in das Olympische Programm weiter an der Entwicklung dieser interessanten und spektakulären Sportart arbeiten. Dabei werden wir uns sicherlich an den Kritikpunkten des IOC orientieren und versuchen, dass sich der Naturbahnsport auch außerhalb Europas etabliert.
Chris Karl:
An welche Maßnahmen denken Sie hier konkret? Es muss eine Sportart laut IOC in 25 Ländern auf vier Kontinenten betrieben werden. In Amerika gibt es mit Kanada und USA Ansätze, aber welche Pläne gibt es, um Asien einzubinden?
Josef Fendt:
Im Rahmen des FIL-Entwicklungsprogramms bemühen wir uns seit Jahren, neue Nationen in unseren Sport zu integrieren und unterstützen schwächere Länder, damit diese aktiv an unseren Wettkämpfen teilnehmen. Wir investieren hier jedes Jahr eine beträchtliche Summe. Karl Flacher, unser Trainer Naturbahn, macht in diesem Bereich eine sehr gute und konkrete Arbeit mit Athleten aus noch nicht im Naturbahnsport etablierten Ländern, die ohne diese Unterstützung keine Chance hätten. Mit dem Doppelweltcup im kommenden Februar/März in Kanada haben wir tatsächlich einen guten Schritt nach Nordamerika gemacht. Auch in östliche Richtung haben wir uns schon bewegt, beispielsweise erfolgreich Naturbahn-Weltcups in Moskau abgehalten. In Asien wollen wir ebenfalls Kontakte aufbauen. Darüber hinaus gibt es auch in Neuseeland konkrete Bemühungen zur Errichtung einer Sportanlage, auf der Naturrodelsport betrieben werden kann. Die FIL steht solchen Bemühungen natürlich äußerst positiv gegenüber und gewährt jede mögliche technische, personelle sowie auch finanzielle Unterstützung.
Chris Karl:
Danke für das Gespräch.