Hüttau (ck) Ekatharina Lavrentjeva fährt dieser Tage in ihrer eigenen Klasse. Mit ihrem heutigen Gewinn des Europameistertitels demonstrierte sie jedoch nicht nur ihre eigene Dominanz, sondern bestätigte auch die Wachablöse, die der Naturbahnsport derzeit erfährt. War es bislang eine Sensation, wenn eine andere Nation außer Österreich oder Italien in die Medaillenränge vordringen konnte, so gingen bei den soeben in Hüttau zu Ende gegangenen Meisterschaften drei von neun Medaillen nach Russland. Die „neuen Russen“ erinnern in keinster Weise mehr an die grauen, furchteinflössenden Gestalten früherer Zeiten. Die russischen Sportler sprechen deutsch oder englisch, verfolgen die neuesten Modetrends und haben Spaß am Leben. Lediglich die finanziellen Möglichkeiten trennen sie noch von ihren westeuropäischen Kollegen.
„Mir ist es am liebsten, wenn ich im ersten Lauf einen Vorsprung herausfahren kann und dann ein bisschen entspannter sein kann. Aber hier ist mir das nicht gelungen, im ersten Lauf hatte ich ein paar Fehler, dafür war der zweite dann perfekt,“ analysierte die Russin ihr Rennen – in deutsch. „Eine Kurve im oberen Teil habe ich schlecht erwischt, aber das konnte ich Gott sei Dank in der nächsten Kombination aufholen.“ Sie genießt ihre derzeitige Erfolgswelle, macht sich aber auch Gedanken über den Sport im allgemeinen: „Für mich ist es natürlich schön, wenn ich immer gewinne. Aber für die anderen ist es wahrscheinlich nicht mehr lustig und es sieht auch nicht gut aus, wenn immer der gleiche Name vorne steht.“ Sie mache genug Fehler in ihren Rennen, erzählt sie, aber ein perfekter Lauf wäre so schwer zu erreichen, dass dies ohnehin nur ganz selten jemandem gelänge.
Auf ihrem Weg zum Europameistertitel wäre noch reichlich Platz für den einen oder anderen Fehler gewesen: ihr Vorsprung betrug 1:39 Sekunden. Die Zweitplatzierte Christa Gietl (ITA) nahm dies auch gelassen zur Kenntnis: „Ich bin im letzten Lauf kurz an der Bande hängen geblieben, habe dann aber voll attackiert und den Fehler eigentlich wieder gut gemacht. Aber auch ohne den Fehler wäre Ekatharina nicht zu schlagen gewesen.“ Im Training war Christa Gietl noch auf unspektakulären Rängen zu finden gewesen, kam aber im Rennen von Lauf zu Lauf besser in die Gänge. „Ich bin eher ein Wettkampftyp, ich brauche oft das Gefühl, dass es jetzt ernst wird. Nach meinem Fehler bin ich erst richtig aufgewacht“, erzählte die Südtiroler Studentin.
Die Bronzemedaille ging ebenfalls nach Italien. Die 19-Jährige Sportschülerin Barbara Abart aus Mals im Vinschgau freute sich über das beste Ergebnis ihrer Karriere. „Es war spannend bis zum Schluss, ich habe so gehofft, dass es sich für den dritten Platz ausgeht, ich bin überglücklich.“
Knapp an der Medaille vorbei rodelte Marlies Wagner (AUT), die sich mit einem verpatzten zweiten Lauf (9.) um die Früchte ihrer Arbeit brachte. Nach der drittbesten Zeit im ersten Lauf und der zweiten im dritten Lauf musste sich die Niederösterreicherin schlussendlich mit dem undankbaren vierten Rang begnügen.
Im Herrenbewerb schrieb sich der alte Europameister neuerlich in die Siegerlisten ein. Gerhard Pilz (AUT) schien vom ersten Trainingstag an die Strecke unter Kontrolle zu haben, ließ sich weder von einem Überaschungsführenden Patrik Pigneter (ITA) nach dem ersten Lauf noch von wechselnden Wetterbedingungen aus der Ruhe bringen. „Hinterher sieht es aus, als ob der Titel recht einfach zum Heimfahren gewesen wäre, aber das ist nicht so. Hätte Patrik Pigneter am ersten Tag einen perfekten Lauf gehabt, wäre er auf und davon gewesen“, zieht der fünffache Weltmeister und nunmehr zweifache Europameister Resümee. „Ich musste im zweiten Lauf voll angreifen, den am Schluss hatte am Schluss schon jede Menge Schläge, da wollte ich nicht mehr zu viel riskieren.“ So verteidigte er mit dem vierten Rang im ersten Lauf, Bestzeit im zweiten Durchgang und der dritten Zeit im Finallauf seinen Titel. Wenn Gerhard Pilz zurückblickt und seine sieben Goldmedaillen bei Großereignissen vergleicht, so steht immer noch der WM-Titelgewinn in seiner Heimat in Bad Goisern an erster Stelle: „Es ist ganz etwas besonderes in der Heimat zu gewinnen und es hat kaum jemand geschafft. Anton Blasbichler nicht in Italien, Ferdinand Hirzegger nicht in Stein an der Enns.“
Und weder Gerald noch Roland Kallan in Hüttau. Nach dem ersten Lauf hatte es für die Brüder nicht gut ausgesehen: Roland Kallan lag an siebter Stelle, Gerald gar an zehnter. Doch Gerald Kallan gelang eine fulminante Aufholjagd, die ihresgleichen sucht. Letztlich fand das Wochenende mit dem Gewinn der Bronzemedaille seinen versöhnlichen Ausklang. „Es ist schon frustrierend wenn man nachdenkt, wie viele Stunden man hier an der Bahn verbracht hat und dann ist man nach dem ersten Lauf Zehnter. Aber ich habe mich heute neu motiviert, gedacht, das Rennen fängt noch mal neu an. Meine Trainer haben gesagt, dass ich zu hart über die Wellen gefahren bin, das habe ich mir zu Herzen genommen und versucht umzusetzen. Vor dem letzten Lauf habe ich nur gedacht: ganz normal runterfahren“ Darin lag wohl der Schlüssel zum Erfolg, denn die Gruppe junger Italiener, die hinter Gerhard Pilz und weit vor Gerald Kallan in Lauerstellung lagen, zeigten allesamt Nerven und fielen teilweise weit zurück. Lediglich Andreas Casteglioni konnte seine Position sichern und wurde mit dem Gewinn der Silbermedaille belohnt. „Ich bin vollauf zufrieden“, strahlte der Italiener im Ziel. „Das ist meine beste Platzierung bisher und ich bin froh, dass ich trotz einer Bandenberührung im oberen Abschnitt noch eine gute Zeit gefahren bin.“ Sein Glücksbringer war Freundin Renate Kasslatter, die bis vor kurzem noch im Weltcup führte, in Hüttau aber mit den Bedingungen nicht zurecht kam. „In Olang beim Weltcup habe ich Andreas die Rodel zum Start getragen und er ist Zweiter geworden. Vielleicht bringt ihm das heute auch Glück“, sprach´s und machte sich auf den Weg. Sie wird wohl noch öfter ihre Dienste als Trägerin zur Verfügung stellen müssen.
Endergebnis Damen (26 Starter):
1. Ekatharina Lavrentjeva (RUS), 1:05,20 (1), 1:04,69 (1), 1:05,25 (1), 3:15,14
2. Christa Gietl (ITA), 1:05,53 (4), 1:05,24 (3), 1:05,76 (4), 3:16,53
3. Barbara Abart (ITA), 1:05,25 (2), 1:05,71 (5), 1:05,68 (3), 3:16,64
4. Marlies Wagner (AUT), 1:05, 39 (3), 1:06,15 (9), 1:05,46 (2), 3:17,00
5. Julia Vetlova (RUS), 1:05,67 (5), 1.05,67 (4), 1.05,90 (5), 3:17,24
6. Karolina Wanicek (POL), 1:06,13 (8), 1:05,18 (2), 1:06,11 (6), 3:17,42
7. Renate Gietl (ITA), 1:06,22 (9), 1:06,02 (7), 1:06,27 (8), 3:18,51
8. Renate Kasslatter (ITA), 1:06,49 (13), 1:05,72 (6), 1:06,41 (9), 3:18,62
9. Sandra Lanthaler (ITA), 1:06,02 (7), 1:06,22 (11), 1:06,74 (10), 3:18,98
10. Sandra Mariner (AUT), 1:06,39 (11), 1:06,37 (12), 1:06,24 (7), 3:19,00
11. Ewelina Zurek (POL), 1:06,30 (10), 1:06,07 (8), 1:07,07 (12), 3:19,44
12. Tina Unterberger (AUT), 1:05,88 (6), 1:06,19 (10), 1:07,89 (17)
Endergebnis Herren (48 Starter):
1. Gerhard Pilz (AUT), 1:04,77 (4), 1:03,42 (1), 1:04,43 (3), 3:12,62
2. Andreas Castiglioni (ITA), 1:04,58 (2), 1:03,88 (3), 1:04,75 (6), 3:13,21
3. Gerald Kallan (AUT), 1:05,39 (10), 1:03,97 (6), 1:04,29 (2), 3:13,65
4. Martin Psenner (ITA), 1:04,59 (3), 1:04,03 (8), 1:05,12 (15), 3:13,74
5. Anton Blasbichler (ITA), 1:05,26 (8), 1:03,92 (4), 1:04,84 (9), 3:14,02
6. Patrik Pigneter (ITA), 1:04,40 (1), 1:04,51 (12), 1:05,20 (17), 3:14,11
7. Andreas Gruber (ITA), 1:15,01 (6), 1:03,81 (2), 1:05,35 (19), 3:14,17
8. Gerald Kammerlander (AUT), 1:05,71 (13), 1:04,15 (9), 1:04,44 (4), 3:14,30
9. Florian Breitenberger (ITA),1:05,37 (9), 1:04,22 (10), 1:04,22 (10), 3:14,35
10. Roland Kallan (AUT), 1:05,18 (7), 1:03,99 (7), 1:05,25 (18), 3:14,42
11. Gernot Schwab (AUT), 1:05,43(12), 1:03,94(5), 1:05,11 (14), 3:14,48
12. Robert Batkowsky (AUT), 1:05,80 (16), 1:04,76 (16), 1:04,21 (1), 3:14,77
13. Christoph Wagner (AUT)
14. Daniel Quitta (ITA)
15. Marcus Grausam (GER)
16. Philipp Wagner (AUT)
17. Rudi Resch (ITA)
18. Borut Fejfar (SLO)
19. Borut Kralj (SLO)
20. Aleksei Lebedev (RUS)