Cesana Pariol, Italien. Schlusstag der Rennrodel-Wettbewerbe bei den Olympischen Winterspielen in Turin. Andreas und Wolfgang Linger aus Österreich sichern sich überraschend Gold vor den Deutschen Andre Florschütz/Torsten Wustlich und Gerhard Plankensteiner/Oswald Haselrieder aus Italien.

Dichte Bewölkung, hohe Luftfeuchtigkeit und ein frischer, böiger Wind hatten am Mittwoch den anhaltenden Sonnenschein der vergangenen Tage an der Rodelbahn in Cesana Pariol abgelöst. Für die Doppelsitzer-Konkurrenz herrschten damit schon im ersten der beiden Durchgänge komplett andere Bedingungen als an den Tagen zuvor bei den Einzel-Rennen, und viele hatten sich bei der Präparierung des Materials gründlich verschätzt.
Die Deutschen Patric Leitner/Alexander Resch, Titelverteidiger und siegreich bei der Generalprobe in Cesana im November 2005, hatten im Training keine optimalen Läufe gezeigt. Ebenso ihre Team-Kollegen Andre Florschütz/Torsten Wustlich und die Cousins Tobias/Markus Schiegl aus Österreich. Nach dem Training zählten vor allem die Italiener Gerhard Plankensteiner/Oswald Haselrieder, deren Teamkollegen Christian Oberstolz/Patrick Gruber und die österreichischen Brüder Andreas/Wolfgang Linger zu den größten Favoriten.

Fehlerfrei kam schon im ersten Durchgang kaum ein Schlitten ins Ziel. Linger/Linger konnten nach einem nicht optimalen Start im unteren Streckenabschnitt Zeit gutmachen und übernahmen mit 47.028 Sekunden und einem Vorsprung von acht hundertstel Sekunden die Führung vor ihren Team-Kollegen Schiegl/Schiegl. Florschütz/Wustlich hatten nach gutem Start im oberen Streckenabschnitt leichte Probleme, nahmen aber anschließend Fahrt auf und belegten nach dem ersten Lauf mit 47.141 und damit 11 Hundertsteln Rückstand auf die Führenden Rang drei. Leitner/Resch verzeichneten die schnellste Startzeit, fielen aber nach einem Fehler in Kurve 15/16 und sechs Hundertstel Rückstand auf ihre Team-Kollegen auf den vierten Platz zurück. Plankensteiner/Haselrieder rutschten am Start weg und nahmen die Kurve 17 viel zu hoch. Sie mußten sich an fünfter Position einreihen. Völlig enttäuschend verlief der erste Lauf für Oberstolz/Gruber. Nach zweitbester Startzeit kamen sie in Kurve 13 ins Straucheln und mußten sich mit nahezu sechs Zehnteln Rückstand auf die Führenden zunächst mit Rang elf begnügen.

Im zweiten Lauf starteten die Bestplatzierten aus dem ersten Durchgang zuletzt – angesichts der Witterungsbedingungen ein deutlicher Nachteil, mit dem die einzelnen Starter sehr unterschiedlich zurecht kamen.
Linger/Linger konnten in diesem Durchgang den Vorsprung kontinuierlich steigern und sicherten sich mit der zweitbesten Laufzeit und insgesamt 1:34.497 überraschend Olympia-Gold – das erste für ein österreichisches Doppel seit 1964. Florschütz/Wustlich fuhren ebenfalls ein beherztes Rennen und holten sich am Ende Silber mit 31 Hunderstel Sekunden Rückstand auf die Österreicher. Bronze ging an Plankensteiner/Haselrieder, die im zweiten Lauf zwei Plätze gutmachen konnten.
Große Enttäuschung dagegen bei Schiegl/Schiegl und Leitner/Resch. Die Österreicher waren bereits am Start nicht optimal gefahren und mußten nach einem Fehler in Kurve 17 jede Hoffnung auf olympisches Edelmetall begraben. Sie fielen auf Rang vier zurück – das gleiche Ergebnis wie schon 1998 in Nagano.
Ähnlich schlecht erging es den Deutschen, die für den zweiten Lauf das Motto "Alles oder Nichts" ausgegeben hatten. Doch auch für sie war in Kurve 17 der Traum von der Titelverteidigung ausgeträumt. Platz sechs lautete die enttäuschende Bilanz am Schluss.
Oberstolz/Gruber hatten im zweiten Durchgang zunächst den Startrekord eingestellt und die beste Zeit im zweiten Lauf verbucht. Ihnen blieb nach dem verpfuschten ersten Lauf am Ende Platz fünf.

ZITATE

LINGER, Andreas / LINGER, Wolfgang (AUT)
Andreas: Wir haben lange darauf hin gearbeitet und es ist ein Wahnsinn, einen Olympiasieg feiern zu dürfen. Es wird noch eine Zeit brauchen, bis man es realisiert, aber es ist schon ein Wahnsinns-Gefühl.
Wolfgang: Beide Läufe waren relativ gut mit nur ganz kleinen Fehlern. Im zweiten Lauf waren die Bedingungen dann recht schwierig und im Ziel wußten wir nicht genau, wo wir dran sind, bis wir die Anzeige sehen konnten. Es hat einfach alles gepaßt.

FLORSCHÜTZ, Andre / WUSTLICH, Torsten (GER)
FLORSCHÜTZ: Nach dem Trainingsverlauf hatten wir uns eine Medaille erhofft – Bronze oder vielleicht sogar Silber. Als wir am Start standen, wußten wir noch nicht, wie langsam die Bahn geworden war. Wir haben uns nur gewundert, warum keine besseren Zeiten gefahren wurden und uns war nicht klar, ob die anderen Fehler gemacht hatten. Die Bedingungen waren so unheimlich schwierig, dass wir froh waren, dass wir den zweiten Lauf so gut runter gebracht haben.
WUSTLICH: Wir haben hier nicht gepokert. Im ersten Lauf hatten wir einige Fehler, im zweiten ging es dann besser. Wir hatten am Material nichts verändert, sind nur bewußter gefahren.

PLANKENSTEINER, Gerhard / HASELRIEDER, Oswald (ITA)
PLANKENSTEINER: Wir hatten nichts zu verlieren, also haben wir alles gegeben. Im ersten Lauf hatten wir ein Problem am Start, aber der zweite war super. Ein Traum ist wahr geworden. Wir haben so viele Jahre hart dafür gearbeitet und müssen uns jetzt vor allem bei den Trainern und Coaches bedanken.
HASELRIEDER: Im Training sind wir immer Bestzeit gefahren. Klar, dass wir uns da eine Medaille erhofft haben.

OBERSTOLZ, Christian / GRUBER, Patrick (ITA)
OBERSTOLZ: Im Rodeln ist das so eine Sache... Wenn wir im ersten Lauf besser gefahren wären, hätten wir im zweiten später starten müssen. Schade, dass uns die zwei Hundertstel auf Bronze fehlen und die kann man überall suchen. Vorbei ist vorbei – was soll man machen?
GRUBER: Wir haben im ersten Lauf die Kurve 14 zu spät erwischt und das gleiche ist in der 15 passiert. Schade, aber so etwas passiert eben.

SCHIEGL, Tobias / SCHIEGL, Markus (AUT)
Tobias: Der zweite Lauf ging total daneben. Wir sind schon zu spät in den Start reingefahren und dann hat es mit dem Material nicht mehr ganz gestimmt. Wenn der Reif so hineinzieht, hat man kaum eine Chance. Schade.

LEITNER, Patric / RESCH, Alexander (GER)
LEITNER: Im ersten Lauf hatten wir etwas Pech mit der Startnummer. Wenn wir eher dran gewesen wären, hätten wir vielleicht noch ein paar Hundertstel rausholen können. Es war ein guter Lauf, wir haben alles gegeben, waren gut vorbereitet, aber wir haben einfach Pech gehabt. Mit diesem Reif in der Bahn hatten wir keine Chance. Wir haben viel riskiert, um wenigstens noch auf einen Medaillenplatz zu kommen.
RESCH: Es waren ganz einfach extreme Bedingungen. Ich habe die Bahn noch nie so verreift gesehen. Beim Weltcup hier sind wir weit über eine Sekunde schneller gefahren. Man kann aber keinem einen Vorwurf machen – es waren einfach die äußeren Bedingungen. Bei der Wärme hatten wir ganz einfach die falschen Eisen am Schlitten.

Foto (c) Nancie Battaglia

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