Psychische Gesundheit erhalten und Erkrankungen im Leistungssport vorbeugen

Berchtesgaden (FIL) Am 23. Juni ist Olympic Day unter dem Motto #StrongerTogether und aus aktuellem Anlass in anderen Sportarten, beschäftigen wir uns mit dem Thema Psychische Gesundheit von Spitzensportler/innen.

Leistungssportler sind ehrgeizig, zielorientiert und rastlos – sie  sind Siegertypen. Wenn sie erfolgreich sind, dann werden sie wie Helden gefeiert. Nach einer Niederlage sind Individualsportler/innen oftmals ganz alleine. Dabei sind Athletinnen und Athleten zweifellos auch nur Menschen.

Natürlich kann die menschliche Psyche an Aufgaben wachsen und Sport im gesunden Umfeld kann Depressionen vorbeugen. Bei übermächtigen, anhaltenden psychischen Belastungen kann ein/e Spitzensportler/in  aber auch krank werden. Ob eine psychische Erkrankung auftritt oder nicht, das hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Familie, Freunde oder Teamkollegen/innen, vor allem bei Teamsportarten, sind ein sehr wichtiger sozialer Aspekt im Alltag. Soziale Kontakte tragen zur psychischen Gesundheit bei. 

Die Teamärztin der lettischen Nationalmannschaft Dr. Zane Kruze, auch Mitglied der Medizinischen Kommission der FIL berichtet von ihren Erfahrungen: „In meinem Job habe ich in den vielen Jahren natürlich Athleten/innen mit psychischen Problemen erlebt. Leistungsdruck kann sehr herausfordernd sein. Die Athleten/innen reagieren individuell unterschiedlich auf solche Situationen. In meiner Praxis gab es einen Fall, in dem ein Athlet eine somatovegatative Dystonie entwickelt hatte, wegen des hohen Stressniveaus. Da das vegetative Nervensystem unabhänging vom bewussten Willen des Menschen arbeitet, ist es bei dieser Erkrankung oft schwer eine physikalische Ursache für die Symtome zu finden. Aus diesem Grund musste der Athlet seine Karriere beenden. Es passiert sehr häufig, dass Athletinnen und Athleten stark leiden, wenn sie ihre Karriere wegen eines gesundheitlichen Problems unterbrechen müssen“.

Bei Leistungssportler/innen können extreme körperliche und psychische Belastungen zu Schlafstörungen, häufigen Verletzungen, Infektanfälligkeit, Einsamkeit und sogar zu Angst- und Zwangsstörungen, Depressionen oder Suchtkrankheiten führen.

Aktuell ein prominentes Beispiel ist die japanische Tennisspielerin Naomi Osaka. Die Weltranglisten-Zweite musste beim Turnier in Frankreich aussteigen und ihre Depression öffentlich machen, weil der Druck auf Sie zu groß wurde. Für andere Sportler/innen kann dieser Fall der Anstoß sein über eigene Probleme, Ängste und Depressionen frühzeitig zu sprechen und sich professionelle Hilfe zu holen. 

Der hohe Zeitaufwand des Trainings und der Wettkämpfe, die starke Fokussierung auf ein Thema und ein Ziel, führen oft zu einer sozialen Vereinsamung. Es bleibt kaum mehr Zeit für soziale Kontakte und das Selbstwertgefühl basiert bei Weltklasseathleten/innen meistens ausschließlich auf ihrer sportlichen und körperlichen Leistung. Beim Internationalen Rennrodelverband FIL hat man das uneingeschränkte Ziel, Prävention, Behandlung und Erhaltung der seelischen Gesundheit seiner Athletinnen und Athleten sicher zu stellen.

Der Russische Teamarzt und Mitglied der Medizinischen Kommission der FIL Dr. Ruslan Simashvili sagt: „Unser Sport ist individuell, oft gibt es keine Verbündeten im Team, es wird immer um einen Platz im Team gekämpft.  Und dieser Umstand verursacht auch psychischen Stress.  Zudem hat sich im Kontext der Pandemie der Kommunikationskreis komplett verkleinert.  Es gibt einen großen Unterschied zwischen europäischen Teams, die ihre Familien zwischen den Wettbewerben besuchen können.  Dort, im Familienkreis, erhalten die Sportler die nötigste menschliche Unterstützung, sie werden zumindest einige Tage vom Sport abgelenkt und kommen frisch zum Wettkampf.  Natürlich sollten das medizinische Personal und die Trainer des Teams diese Aspekte der professionellen Karriere eines Sportlers verstehen und versuchen, ein vertrauensvolles und angenehmes Klima innerhalb des Teams oder für einzelne Sportler zu schaffen, die es besonders brauchen.  Manchmal reicht es, nur zu reden, die Welt mit anderen Augen zu betrachten und die alten Probleme lösen sich von selbst“.

Dr. Zane Kruze ist sich sicher: "Es ist eine wichtige Rolle des Sportmediziners im Team, ein positives Klima in der Mannschaft zu schaffen. Sportmediziner/innen sollten Athleten/innen individuell behandeln. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Schaffung eines positiven Mikroklimas zwischen Trainer/in und Athlet/in. Die Athleten sollten wissen, dass sie nicht allein sind und dass es möglich ist, Hilfe von medizinischem Personal zu erhalten."

Mental besonders kritische Phasen für Athleten/innen sind langdauernde Verletzungen, Misserfolge oder das Karriereende. Lange Zeit war dieses Thema im Leistungssport tabu. Dabei sind psychische Erkrankungen bei Spitzensportlern ungefähr genauso häufig wie bei anderen Menschen. Es ist besonders wichtig frühzeitig bei zu hohem, andauerndem Leistungs- und Wettkampfdruck zu handeln, um vorzubeugen und leistungsfähig zu bleiben. Eine behandelte Depression ist kein Kriterium nicht erfolgreich zu sein.

Der stellvertretende Vorsitzende der Medizinischen Kommission der FIL, Dr. Eugene Burne (USA) appelliert an alle Leistungssportler/innen: „Man ist mit psychischen Problemen nicht alleine. Wenn nötig, sollte man sich frühzeitig Hilfe suchen. Wir unterliegen alle der ärztlichen Schweigepflicht. Man kann sich persönlich an uns alle in der Medizinischen Kommission oder natürlich auch an Psychologinnen und Psychologen im persönlichen Umfeld wenden. Man ist mit den Belastungen des Leistungssports niemals alleine. Das ist mir ganz besonders wichtig.“

#StrongerTogether Film IOC - die Welt kommt nur voran, wenn wir uns gemeinsam bewegen: https://youtu.be/MVBjLir6pFE

Fotos und Video IOC (International Olympic Kommitee)