„Rodeln ist mein Leben“ – Der stille Held Valentin Cretu

Berchtesgaden (FIL/26.04.2025) Rennrodeln gilt als eine der mental anspruchsvollsten Wintersportarten. Es ist schnell, eisig und oft entscheiden Tausendstelsekunden über Sieg oder Niederlage. Für den rumänischen Athleten Valentin Cretu ist Rodeln jedoch mehr als nur ein Wettkampf. Es ist eine Lebensreise – geprägt nicht von Goldmedaillen, sondern von Durchhaltevermögen, Hingabe und einer tiefen Liebe zum Schlitten.
Valentin ist vierfacher Olympiateilnehmer und gewann in den letzten Jahren die Bronze- und die Goldmedaille im Gesamt-Nationencup. Seine Geschichte begann in Sinaia, einem malerischen Ort in den rumänischen Bucegi-Bergen. Als zehnjähriger Junge träumte er nicht von olympischem Ruhm – er wollte einfach abnehmen, nachdem ihn ein Arzt davor gewarnt hatte, dass sein Gewicht zu hoch sei. Fußball war seine große Leidenschaft, und da das Aufwärmen beim örtlichen Rodelteam Fußball beinhaltete, war das für Valentin Grund genug mitzumachen.
„Ich war sofort begeistert“, erinnert er sich. „Mein Vater hatte mir immer Geschichten vom Rodeln erzählt. Er selbst hatte es ausprobiert, aber meine Großmutter hat es ihm verboten. Das war meine Chance, etwas zu tun, das er nicht konnte.“
Aus der ersten Begegnung mit dem Schlitten wurde schnell ein Lebensweg. Nach seinem allerersten Lauf verkündete er: „Ich will zu den Olympischen Spielen.“ Das Bild des legendären Armin Zöggeler, der um Gold kämpfte, hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. Und seitdem hat Valentin nicht mehr losgelassen.
Ein Einzelkämpfer für das rumänische Rodeln
In einer Sportart, die von Ländern wie Deutschland, Österreich, Lettland, USA und Italien dominiert wird, ist Cretu ein echter Außenseiter. Rumänien richtet keine internationalen Rodel-Wettkämpfe aus, es gibt keine Hightech-Bahnen, keine breite Förderstruktur. Und nur eine einzige olympische Wintermedaille hat das Land bislang gewonnen – Bronze im Bobfahren 1968.
Aber genau das ist Valentins Antrieb. Seit über zwei Jahrzehnten kämpft er darum, diese lange Durststrecke zu beenden und Rumänien endlich wieder eine olympische Medaille zu schenken.

„Ich will einfach so nah wie möglich an die Medaillen heran“, sagt er. „Bei den Weltcups kämpfen immer dieselben zehn Männer um das Podium, aber bei Olympia – da ist alles möglich.“ Als Beispiel nennt er David Gleirscher, der 2018 in Pyeongchang überraschend Gold gewann, obwohl er zuvor nie einen Weltcup gewonnen hatte und es gerade so in das österreichische Olympiateam geschafft hatte.
Der bisher größte Erfolg in Valentins Karriere war Bronze im Team-Wettbewerb beim Weltcup 2024 in Altenberg. Auch im Nationencup stand er bereits auf dem Podest – unter anderem mit einem Sieg in Winterberg.
Doch der Weg war nie leicht. Der Sport bringt ihn oft monatelang von seiner Familie fort, und der finanzielle und emotionale Druck ist hoch. „Meine Frau und meine Familie machen sich Sorgen. Sie sehen, wie viel ich investiere – aber es kommt einfach nichts zurück“, sagt er. „Manchmal ist das zum Verrücktwerden. Aber ich mache weiter. Ich glaube noch immer, dass ich die zweite olympische Medaille für Rumänien holen kann.“
Ein Schlitten aus der eigenen Werkstatt
Weil er in Rumänien nur eingeschränkt trainieren kann, baut Cretu seinen Schlitten selbst – in der eigenen Werkstatt. Wegen der veränderten klimatischen Bedingungen muss er zudem vor der Saison ins Ausland reisen, um sich vorbereiten zu können.
Trotz aller Herausforderungen ist seine Leidenschaft ungebrochen. Und er gibt sie weiter – an die nächste Generation. Sein noch siebenjähriger Sohn wurde In diesem Frühjahr nationaler Meister bei den Startwettkämpfen auf Eis für die Altersklasse unter neun Jahren.
„Ich möchte ihm zeigen, wie schön unser Sport ist“, sagt Cretu. „Ich habe viele andere Sportarten ausprobiert, aber nirgends habe ich so viel Unterstützung erlebt wie im Rodeln. Selbst von Athleten anderer Nationen. Es gibt eine richtige Gemeinschaft – das ist etwas Besonderes.“
Der Blick geht nach Mailand-Cortina 2026

Für die Olympischen Spiele 2026 in Mailand-Cortina hat Cretu ein gutes Gefühl. „2006 in Turin war der Moment, in dem ich wusste: Das ist es, was ich machen will“, erzählt er. „In Peking hätte ein Platz unter den Top 15 gereicht. Aber für Mailand-Cortina will ich mehr. Ich werde kämpfen.“
Vielleicht sogar im Doppelsitzer – ein Traum, den er seit 2008 hegt. Damals gewann er überraschend die rumänische Meisterschaft im Doppelsitzer, nachdem er sich spontan einen jüngeren Teamkollegen geschnappt und nur zwei Tage trainiert hatte. Trotzdem ließ ihn der Verband weiter im Einsitzer starten.
Jetzt könnte es doch noch klappen: Mit Eduard Craciun gibt es einen neuen Einsitzer-Athleten im Weltcup. „Gerade vom Damenstart ist es im Doppelsitzer einfach nur Spaß“, lacht er. „Es ist leichter, entspannter – fast wie Urlaub auf Eis.“
„Rodeln ist mein Leben“
Trotz aller Rückschläge bleibt Cretu seinem Weg treu. „Rodeln ist mein Leben. Ich liebe es. Es ist nicht schwer für mich – es gehört einfach zu mir“, sagt er. Und fügt lachend hinzu: „Ich liebe es – leider für mich und für meine Familie.“
Man mag über seine Fahrweise oder seine selbstgebauten Schlitten diskutieren – aber eines kann ihm keiner absprechen: seine Leidenschaft. Valentins Geschichte ist keine Geschichte des schnellen Ruhms, sondern eine des langen Atems, der Beharrlichkeit und der Liebe zu einem Sport, der ihm Sinn und Erfüllung gibt.
„Ich mache weiter. Ich glaube, ich habe noch etwas Besonderes zu geben.“