Team China in Vorbereitung auf Peking 2022: Interview Wolfgang Schädler

Wolfgang Schädler und Norbert Huber

Berchtesgaden (FIL) Wolfgang Schädler startete als aktiver Rennrodler für das Fürstentum Liechtenstein. Er trat bei den Olympischen Winterspielen 1976 und 1980 sowohl im Ein- als auch im Doppelsitzer an. Bei seiner dritten Olympiateilnahme bei den Spielen 1984 in Sarajevo belegte er Rang 11 im Einsitzer. 

Nach der aktiven Karriere blieb Wolfgang Schädler der Sportart als Trainer erhalten. 24 Jahre lang (1986 bis 2010), trainierte er die Rennrodel Nationalmannschaft der USA. Ab dem Jahr 2010 führte der erfahrene Cheftrainer und Materialexperte das Nationalteam Russlands zu den Olympischen Winterspielen 2014. Seit 2015 ist er nun als Cheftrainer beim chinesischen Verband engagiert.

Herr Schädler, Sie waren von September 2020 bis Februar 2021 mit ihrem Team durchgehend zum Training auf der neuen Olympiabahn in China. Seit 1. März 2021 sind Sie wieder zu Hause in Liechtenstein. Haben Sie sich schon wieder gut eingelebt? Wie war die Zeit in YanQing in der Provinz Peking?

Wolfgang Schädler: „Ich habe mich wieder gut zu Hause eingelebt. Es ist sehr schön mehr als ein Hotelzimmer, das Hotelareal und die Rodelbahn zu sehen. Am Anfang konnten wir noch zu Fuß die halbe Stunde in die Stadt gehen, später war das nicht mehr möglich. Über Weihnachten und Neujahr durften wir zwei Tage in Peking verbringen, das war eine schöne Abwechslung. Ich war gemeinsam mit meinem Trainer-Kollegen und alten Freund Norbert Huber (ITA) in China und das war sehr gut das Ganze nicht alleine durchstehen zu müssen. Nachdem unser dritter Trainer Tony Benshoof (USA) nach der Anreise für 50 Tage mit Covid-19 im Krankenhaus und danach noch zwei Wochen in Quarantäne war, ist er zurück nach Hause gereist. Wir hatten Glück, dass wir dann den ehemaligen Doppelsitzer-Rennrodler aus Rumänien Paul Ifrim an den Wochenenden als Trainer verpflichten konnten. Paul ist seit ein paar Jahren als Sportlehrer an einer Schule in Peking tätig und hat uns bestens unterstützt“.

Wie viele Sportlerinnen und Sportler haben Sie zu betreuen? Wie geht das mit den wenigen erfahrenen Trainern?

Team China, YanQing

Wolfgang Schädler: „Wir haben 24 junge Sportlerinnen und Sportler. Da die Bahn sehr lang ist, gibt es auch viele Problemstellen. Es wurde immer gemeinsam mit der A- und B-Mannschaft trainiert. Die Sportler/innen aus dem B-Team haben einige Probleme und für das A-Team muss man mehr im oberen Teil, bei den Zeitfresser-Kurven, korrigieren. Da sind die Trainer sehr wichtig, es sollte möglichst an jeder Kurve jemand stehen. Man darf nicht vergessen, dass wir erst seit fünf oder sechs Jahren rodeln. Das ist für den Rennrodelsport nicht viel. Der Sport ist viel schwieriger als Bob und Skeleton. Es bedarf eines langfristigen Aufbaus des Nachwuchses“.

Was ist die Motivation ihrer Athleten/innen, die zwei Jahre lang nicht zu Hause waren und sich voll auf den Rennrodelsport konzentrieren?

Wolfgang Schädler: „Die Motivation ist, dass sie die Chance auf eine Olympiateilnahme haben und das in dem Sport den sie lieben gelernt haben. Das ist die Gelegenheit fürs Leben, auch für die Zeit nach dem Sport bietet das Karrierechancen. Alle haben bisher schon sehr gut Englisch gelernt. Sie verstehen die Bahnkorrekturen gut und die Sprache bietet ihnen zusätzliche Chancen“. 

Steht Ihr Team für die Olympia-Qualifikation schon oder müssen Sie im Herbst noch Qualifikationsrennen fahren?

YanQing Sliding Center

Wolfgang Schädler: „Die Mannschaft für den Weltcup und die Olympiaqualifikation steht. Das ist unsere A-Gruppe. Wir haben ein Doppel. Das zweite Doppel in der B-Mannschaft ist noch nicht so weit. Einige Mädels und drei bis vier Buben haben schon ein gutes Niveau und rodeln schon sehr ordentlich. Athletisch haben sich alle recht gut entwickelt. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Team in der kurzen Zeit“.

Wie viele Fahrten konnten ihre Sportler/innen bisher auf der neuen Olympiabahn machen?

Wolfgang Schädler: „Die internationalen Sportler/innen waren nach der Pre-Homologierung aus YanQing abgereist und wir konnten danach den ganzen November nicht rodeln. Wir waren im Hotel in Quarantäne und die Baufirma musste die letzten Arbeiten an der Bahn machen. Im Dezember ging es dann wieder los. Wir haben bisher schon zahlreiche Fahrten auf der Bahn in YanQing gemacht. Im Training beherrschen unsere Sportler/innen die Bahn inzwischen recht gut. Der Wettkampf-Druck, die Erfahrungen auf anderen Bahnen und der internationale Vergleich fehlen uns natürlich völlig“.

Was ist das Ziel für die kommende Olympia-Saison?

Wolfgang Schädler: „Das Ziel ist klar, die Startplätze für Olympia zu erreichen. Dafür fehlen uns natürlich die Fahrten auf den anderen Bahnen. Beispielsweise in Königssee wird es für uns schon sehr schwierig werden“.

Wie waren die Covid-19 Regeln für Ihr Team in China? Warum denken Sie gab es in China keine zweite oder gar dritte Infektions-Welle wie in Europa?

Chinese Double, photo: Norbert Huber

Wolfgang Schädler: „Nach unserer Ankunft in China waren wir erst einmal drei Wochen in Quarantäne. Zwischen September und Februar habe ich zirka 30 Covid-19 Tests gemacht. Täglich ist beim Eingang zum Hotel automatisch die Temperatur gemessen worden. Wir waren immer alle gesund, weil wir uns isoliert haben. Die üblichen Hygieneregeln mit Masken, separaten Tischen beim Essen und Plastikhandschuhen für das Besteck galten durchgehend. In China hat man das Infektionsgeschehen im Griff. Im Vergleich dazu ist der Umgang mit der Pandemie in Europa wirklich dilettantisch. Die Wirtschaft in China kann sich keine zweite Welle leisten, daher müssen sie streng sein. Und das wird konsequent umgesetzt. Man muss sich eine Gesundheits-App auf sein Smartphone laden. Alle Geschäfte, Restaurants und Bars sind geöffnet. Beim Eingang muss man den Code von der App scannen und erst dann kann man hinein. Ich halte das für eine gute Kontrolle! Aber in Europa will man nicht von den Chinesen lernen und daher werden alle Maßnahmen immer nur so halb umgesetzt. Bei uns sperren sich die Menschen gegen eine App. Die jungen Leute in China sehen, wenn die Wirtschaft flöten geht, dann ist das ihre Zukunft. So hält sich jeder an die Regeln“.

Wie sieht jetzt der Zeitplan für ihr Team aus?

Wolfgang Schädler: „Am 28. Februar war unser letztes Training auf der Bahn. Unser Team hatte am 15. März noch die zweite Covid-19-Impfung und danach durften sie alle das erste Mal - nach zwei Jahren! -  nach Hause fahren. Das kann man sich als Europäer überhaupt nicht vorstellen: Zwei Jahre haben die Sportler/innen und Betreuer nur die gleichen Gesichter aus ihrem Team gesehen“.

Warum ist das so streng und man kann nicht einmal über Weihnachten oder Neujahr zur Familie?

Wolfgang Schädler: „Ich verstehe das. Der Chinesische Staat und auch die Verbände haben sehr viel Geld in den Sport gesteckt um sich für Olympia vorzubereiten. Wenn man nun durch Leichtsinnigkeit und den Ausbruch einer Infektion im Team alles gefährdet, dann wäre das schon sehr tragisch“.

Wie haben Sie die weitere Vorbereitung für die Olympia-Saison geplant?

Wolfgang Schädler: „Geplant ist, dass Nori, Tony und ich uns im Sommer beim Training abwechseln und immer einer von uns in jeder Phase der Saisonvorbereitung beim Team ist. Aber wir wissen natürlich noch nicht wie das mit dem Infektionsgeschehen und den Reisebeschränkungen weiter geht? Auf jeden Fall soll es am 20. September in YanQing wieder auf Eis mit dem Rodeln  losgehen. Wir wollen in der Vorbereitung in Europa auch noch auf ein paar Bahnen fahren. Wir sind sehr froh, dass wir zum Weltcupauftakt zu Hause starten können. Im vergangenen Winter hatten wir ja gar keine Wettkämpfe. Jetzt müssen wir sehen, dass wir die Punkte für die Olympia-Qualifikation sammeln!“

Vielen Dank für das Gespräch!

Fotos: Norbert Huber