Wieder Single: Caitlin Nashs kühner Weg zum olympischen Ruhm

Whistler (FIL/20.07.2025) Nach allem, was man so hört, hätte Caitlin Nash auf Nummer sicher gehen können. Sie hätte weiter auf der Welle einer historischen Doppel-Partnerschaft reiten, nach einer Weltcup-Medaille und Olympischem Ruhm im Damen-Doppel greifen und weiter auf den Schlagzeilen aufbauen können, die sie und Natalie Corless als Teenagerinnen, bereits gemacht hatten.
2019 schrieb Nash mit nur 16 Jahren in ihrer Heimatstadt Whistler Geschichte als Teil des ersten Damen Doppelsitzers, der jemals auf Seniorenebene beim Weltcup antrat. Dieser Tag veränderte alles – nicht nur für ihre Karriere, sondern für den gesamten Rodelsport der Frauen. Dann traten Nash/Corless den Jugend Olympischen Spielen 2020 von Lausanne, im Schweizer Nobel-Wintersportort Sankt Moritz für Kanada an und gewannen eine Silbermedaille für Kanada. Und doch, trotz des Schwungs, der Medaillen und der Aufmerksamkeit, wandte sich Nash vom Doppel ab. Denn sie jagte nicht der Geschichte hinterher. Sie jagt etwas viel Persönlicheres. „Ich wollte wissen, ob ich es aus eigener Kraft schaffen und zu den Olympischen Spielen fahren würde“, sagt die heute 22-jährige Nash. „Ich wollte nicht nur dabei sein, weil wir das einzige Damen-Doppel in Kanada waren.“
Der Mut zum Neuanfang

Die Entscheidung, ganz zum Damen Einsitzer zu wechseln, war mutig. Schließlich waren ihre Ergebnisse im Doppel vielversprechend. Aber in ihrem Herzen wusste sie, dass sie, wenn sie eines Tages an den Start bei Olympischen Spielen gehen wollte, das Gefühl haben musste, sich das selbst verdient zu haben – nicht weil eine Stelle frei war, sondern weil sie zu den Besten gehörte. Das bedeutete einen Neuanfang. Nash war nicht mehr Teil eines Duos, sondern trat nun als Einzelkämpferin in einer der schnellsten und mental anspruchsvollsten Sportarten der Welt an. Und es funktioniert. Nach der Saison 2024/25, in der sie den 23. Platz in der EBERSPÄCHER-Weltcupwertung belegte – eine persönliche Bestleistung und in Reichweite der Olympiaqualifikation –, ist sie nun Kanadas bestplatzierte Rennrodlerin im Einzel.
Mit nur 25 Startplätzen für Damen in Mailand-Cortina 2026 hat sich Nash fest in die Riege der Favoritinnen eingereiht. Dennoch ist sie noch nicht zufrieden. „Die zweite Saisonhälfte war eine Enttäuschung”, gibt sie zu und verweist auf ihren 16. Platz bei den Weltmeisterschaften in Whistler und den 21. Platz in Oberhof. „Ich musste einfach besser abschneiden, ganz klar.”
Ein Whistler-Original

Geschwindigkeit war schon immer Teil von Nashs DNA. Aufgewachsen in Whistler, fuhr sie Ski, Rad und liebte adrenalingeladene Sportarten. Aber während viele ihrer Altersgenossen auf Skiern nach Airtime jagten, zog es sie zur Schwerkraft und Präzision des Rennrodelsports. „Ich liebe es nicht, in der Luft zu sein“, lacht sie. „Aber ich liebe es, schnell zu sein. Deshalb war Rennrodeln genau das Richtige für mich.“ Ihr Aufstieg war nicht kometenhaft – sie hat ihn sich verdient. Von der Ausbildung auf Provinzebene bis zum kanadischen Next Gen Team kletterte sie Schritt für Schritt nach oben. Jedes verpasste Podium, jeder Sturz, jede Stunde im Fitnessstudio trugen zu dem Fundament bei, auf dem sie heute noch baut. „Bis ich es ins Next Gen Team schaffte, war ich noch nie außerhalb Nordamerikas gefahren“, erinnert sich Nash. „Der Übergang zu internationalen Rennen war ein großer Schritt. Ich habe schnell gemerkt, dass ich vor allem an meiner Leistung am Renntag arbeiten musste. Aber dafür ist der Junioren-Zirkus ja da – um zu lernen, zu scheitern und besser zu werden.“
Blick auf Italien
Jetzt, da die Olympiasaison vor der Tür steht, gibt Nash alles. Ihr Sommertraining ist unerbittlich: fünf Tage pro Woche im Fitnessstudio, Starttrainings, körperliche und mentale Vorbereitung und sogar die Feinabstimmung ihres Körpergewichts, um ihren Wettbewerbsvorteil auf dem Schlitten zu maximieren.
Auch mit dem Druck geht sie anders um als früher. Die Erfahrung ist zu ihrer Verbündeten geworden. Und während andere bereits die Tage bis Milano-Cortina zählen, bleibt Nash gelassen. „Alle sagen: ‚Noch 200 Tage …‘, und ich denke mir nur: ‚Wir haben noch Zeit.‘ Ich bin aufgeregt, aber ich versuche, es wie jede andere Saison anzugehen. So bringe ich meine beste Leistung.“

Auf sich selbst setzen
Wenn Nash sich für Mailand-Cortina 2026 qualifiziert, wird dies den Beginn einer neuen Ära für den kanadischen Rodelsport markieren – nicht nur, weil sie eine große Hoffnung ihres Landes im Einzel ist, sondern weil ihre Geschichte für etwas Größeres steht: die Kraft des Selbstglaubens. Sie wandte sich von dem ab, was „funktionierte“, weil sie daran glaubte, dass noch mehr auf sie wartete. Sie riskierte Komfort für Authentizität. Und mit jeder fehlerfreien Fahrt auf der Bahn beweist sie, dass die besten Ergebnisse nicht nur von Talent, sondern auch von Überzeugung kommen. „Rückblickend war es die richtige Entscheidung. Es war schwer, aber ich bin stolz darauf, dass ich sie getroffen habe.“
In der Hochgeschwindigkeitswelt des Rennrodelns zählt jede Entscheidung – jede Linie, jede Millisekunde. Caitlin Nash wählt ihren eigenen Weg, und von hier aus wird es nur noch schneller.